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Die Teilnahmebedingungen von Projekt:Kultur auf dem Prüfstand Teil I

 

Projekt:Kultur ist ein alljährliches Stiftungsprojekt der NEUMAYER STIFTUNG, für das sich Schulen aller Schulformen bewerben können.
Projekt:Kultur fördert die Realisierung von Kulturprojekten in Jahrgangsstufen 7 bis 10 an ausgewählten Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit bis zu 10.000 Euro pro Schuljahr.

Das Team von Projekt:Kultur hat 3 erfahrene Projekt:Kulturler zu einem der drei besonders relevantesten Teilnahmebedingungen von Projekt:Kultur befragt: den teilnehmenden Jahrgangstufen (7.-10. Klasse). Wir wollten wissen:

 

  1. Projekt:Kultur richtet sich an 12 – 16 jährige. Ist diese Altersgruppe richtig für Projekt:Kultur?

Michael Tiedje: Schulleiter Evangelischen Schule Köpenick.

Ich glaube, dass diese Altersstufe genau richtig ist. Die Schüler:innen sind noch offen genug für solche Prozesse, d.h. sie gehen mit Freude und Neugier die Arbeit an. Sie bekommen Verantwortung übertragen, sie müssen sich selbst und in ihrer Gruppe organisieren. Das ist genau das, was sie in dieser Altersstufe brauchen, wofür sie einen Sinn haben und worin sie den Sinn sehen. Dabei ist es wichtig, dass sie ins Handeln kommen, dass sie über die gemeinsame Absprache und das gemeinsame Einüben ins Machen kommen.

 

Katharina Hänel:

Vorstand Verwaltungsleitung Montessori-Fördergemeinschaft Weilheim-Schongau e.V.:

Die Altersgruppe ist voll und ganz richtig, es ist die absolut richtige Stufe, denn ein Projekt in dieser Größe ist erst von älteren Schüler:innen zu bewerkstelligen. So große Projekte sind in der Grundschule noch nicht dran. Das käme mir so vor wie diese Kindergeburtstage, die wie Eventshows gefeiert werden und den Kindern bereits etwas geboten wird, was fast nicht mehr zu übertreffen ist, also völlig übertrieben ist.

Im Projekt:Kultur ist ein wesentliches Element die Aussenwirkung, also eine Aufführung, Ausstellung etc. und das passt erst zu Jugendlichen, ist für sie in ihrem Alter wichtig. Hinzu kommt, dass sie, die jetzt bald die Schule verlassen und in die Welt gehen von jemandem angeleitet werden, der aus der Außenwelt kommt; Jemand aus der Welt zeigt mir die Welt, aber parallel dazu habe ich jetzt noch meine Lehrer:innen, die mich dabei begleiten und unterstützen. Für die großen Projekte ist sogar erst die 9./10. Jahrgangsstufe richtig. Im Gegensatz zur 7./8. Stufe, in der sich wichtige empfindliche Entwicklungen von der Kindheit zur Jugend vollziehen, kann sich unter den älteren Jugendlichen schon mehr Resilienz herausbilden. Die 9/10 ist für große zeitintensive und sozialitätsbildende Projekte ideal.

 

Christa Martin:

Schulleiterin Mittelschule EmiLe Montessori-Schulverein München-Südost e.V.

Definitiv. Bei der 7. Klasse bin ich mir noch nicht so sicher, denn viele Siebtklässler sind noch extrem kindlich, spielen teilweise noch mit Lego, da wird ein Projekt über 2 Wochen schnell zu einer Überforderung. Viele Schulen leben eine Jahrgangsmischung 7/8, dann kann es funktionieren. Der Schwerpunkt sollte nicht auf der siebten Klasse liegen, sondern mehr auf der 9. Klasse, denn diese Altersgruppe ist schon in der Berufsorientierungsphase, wenn sie im Realschulzweig sind. Bei den Gymnasiasten würde ich den Fokus auf 9. und 10. Klasse legen. Im Großen und Ganzen ist die Fokussierung richtig, die 7. Klässler wären mir ein Tick zu jung.

 

  1. Was waren spezifische & auffällige Verhaltensweisen der Jugendlichen während des Projektes?

Michael Tiedje: Schulleiter Evangelischen Schule Köpenick.

Das ist ja eine Altersstufe, die noch dabei ist, sich zu finden, sich zu orientieren, ihren Platz in der Welt, in der Gruppe der Gleichaltrigen und im Verhältnis zu den Erwachsenen zu finden.  Die Jugendlichen erfahren den Umgang mit außerschulischen Expert:innen als etwas ganz Neues. Die Zusammenarbeit mit diesen Professionellen hat Ernstcharakter. Die Jugendlichen spüren, dass es jetzt Erwachsene gibt, die ganz andere Erwartungen an sie haben.

Spezifisch ist auch, dass es immer mal Durchhängephasen gibt. Das ist bei Projekten dieser Art normal und die Schüler:innen lernen, damit umzugehen. Sich selbst organisieren und andere motivieren, sich anzuspornen usw. ist ein ganz wichtiger Prozess an dieser Stelle.

 

Katharina Hänel:

Vorstand Verwaltungsleitung Montessori-Fördergemeinschaft Weilheim-Schongau e.V.:

Vor allem schwächere Schüler:innen, die sonst schulisch nicht so dabei sind, hatten durch die fremden Experten einen neuen Zugang und plötzlich eine Heldenrolle. Das war beeindruckend. Und dann gab es unter den Jugendlichen zunächst große Widerstände gegen das Projekt und gegen die  Experten. Es gab Skepsis bis hin zur Verweigerung. Da aber am Ende ein Ergebnis stehen musste – in diesem Fall eine Theateraufführung – ging es auch um einen Gesichtsverlust für alle. Auch der Künstler stand mit seinem Namen für eine gelingende Arbeit. Diese Widerstände mussten überwunden werden – und hier spielen die Lehrer:innen eine wichtige Rolle – so dass alle „die Kurve gekriegt haben“ und komplett eingestiegen sind. Am Ende stand eine große Aufführung mit großer Begeisterung bei allen. Das hat zu einem neuen Teamgeist geführt, zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen und mit dem Experten. Alle Lehrer:innen und Schüler:innen wollen es wieder machen und diese Entwicklung mit dem abschließenden Ergebnis erleben. Am Ende muss aber etwas Großes stehen, das macht erst die Wirkung und bringt die Motivationsenergie.

 

Christa Martin:

Schulleiterin Mittelschule EmiLe Montessori-Schulverein München-Südost e.V.:

Wir haben immer wieder Ablehnung, immer wieder Angst bei den Schüler:innen bemerkt, sich auf den Prozess und das Projekt einlassen zu müssen, denn sich zu blamieren vor den anderen Schülern wäre fatal.

Bei den Lehrern war eine Ablehnung im Vorfeld zu verspüren, denn sie standen nicht hinter dem Projekt, wollten lieber ihren Unterricht vorbereiten. Dies schaukelte sich bis zu Projektbeginn hoch und als das Projekt dann lief, war eine große Begeisterung zu spüren.

Beim unserem Tanzprojekt war nach 4 Tagen die Choreographie fertig erarbeitet und dann kam der typischen Hänger bei Projekten, denn der nächste Schritt stand an: das Üben. Hier waren Überzeugungs- und Motivationsarbeit von großer Bedeutung. Aber das Arbeiten auf die Aufführung hin, war dann wieder ein großes Ziel, auf das alle begeistert zugearbeitet haben.

Besonders hinweisen möchte ich noch auf die Tatsache, dass Projekt:Kultur nicht nur 2 Wochen an unserer Schule präsent ist. Die Zeit davor mit aller Vorbereitung ist spannend und besonders die Zeit danach bebt durch die Schule, denn die Akteure befinden sich in einem Hype, der ausgelebt werden darf mit Schwelgen in Erinnerung durch Teilen von Fotos und Videos. Dies ist für die Schulgemeinschaft eine besonders verbindende Zeit.

 

  1. Welche Entwicklungen haben Sie bei den Jugendlichen wahrgenommen?

Michael Tiedje: Schulleiter Evangelischen Schule Köpenick:

Ich merke eine „Ernsthaft-Werdung“, sie nehmen ihre Arbeit ganz anders und neu wahr. In der „Konkurrenz“ mit den anderen Gruppen im Projekt entwickeln sie ein Qualitätsbewusstsein. Sie sind extrem stolz auf ihre Leistung und lernen zudem, sich am Ende zu feiern. Sie wachsen als Gruppe und dann auch als Jahrgangsstufe zusammen.  Bei uns hat die 10. Jahrgangsstufe teilgenommen. Die Schüler:innen erinnern sich noch heute intensiv daran. Es verbindet sie sehr, dass sie gemeinsam diesen Prozess durchlaufen haben.

 

Katharina Hänel:

Vorstand Verwaltungsleitung Montessori-Fördergemeinschaft Weilheim-Schongau e.V.:

Dass die Schauspieler ehrlich zu den Jugendlichen waren, haben die Lehrer*innen zunächst nicht verstanden. Sogar noch auf der Weihnachtsfeier wurde darüber gestritten, ob man einem Schüler sagen darf: „Das spielst du nicht!“ (weil er es nicht gut konnte). Auf jeden Fall hat der konzentrierte und zielstrebige Umgang der Experten dazu geführt, dass die Perspektive geändert wurde. Den Jugendlichen wurde mehr abverlangt und auch mehr zugetraut.

Zugestehen und Zutrauen – diese beiden Haltungen waren immer im Spiel und wirken nach. Dass Anstrengung eine Voraussetzung für Qualität ist, das wurde allen bewusst, auch dass Energie erst durch Anstrengung entsteht.

 

Christa Martin:

Schulleiterin Mittelschule EmiLe Montessori-Schulverein München-Südost e.V.

Eine ganz starke Entwicklung sehe ich in der Stufengemeinschaft, weg von konkurrierenden Klassen hin zu „Wir sind eine Jahrgangsstufe“. Auch sind versteckte Talente entdeckt worden, aber auch die Erkenntnis bei einigen Schüler:innen, dass sie Tanzen doch können. Auch das Selbstbewusstsein der Schüler:innen hat sich auffallend gestärkt und das hat sich bis in die Prüfungsphasen im letzten Jahr fortgesetzt. Die Erkenntnis von jedem Einzelnen, das sie etwas undenkbar zu Realisierendes hinbekommen haben erzeugt Stärke und Motivation, das nächste undenkbar zu Erreichendes doch mit Fleiß und Fokussierung erreichen zu können. Ganz individuell. Losgelöst von den Jugendlichen sehe ich einen großen Entwicklungsschritt auch bei den Lehrern, denn dort ist das Gemeinschaftsgefühl stärker geworden und die Nachfrage nach Projekt:Kultur für Lehrer wird immer wieder angesprochen.

 

Zusammenfassend: Projekt:Kultur trifft die richtige Altersgruppe. Dies zeigt die Befragung deutlich und es zeigt auch, dass vieles bei den Schülerinnen und Schülern in Bewegung gesetzt wird.